Die Präsentation eines neuen Calls

Peter Höfelmeyer, 11/1996

 

Die Präsentation eines neuen Calls ist nur ein Ausschnitt aus dem Themengebiet "Die Class". Anwendung findet sie aber z.B. auch in Workshops außerhalb der Class.

 

 

Teaching is not learning

"Habe ich den Tänzern einen Call erklärt, haben sie ihn noch nicht gelernt!"

Was ist eigentlich das Ziel, wenn ich eine neue Figur erkläre ? Genau - die Tänzer sollen diesen Call irgendwann reflexartig und ohne lange nachdenken zu müssen ausführen können. Erst dann haben sie einen Call wirklich gelernt. Um dieses Ziel zu erreichen, reicht es nicht aus, die Definition einmal herrunterzubeten. Wie ich dieses Ziel erreichen kann und was zu beachten ist, soll Thema dieses Kapitels sein.

 

Folgende Frage sollte immer im Mittelpunkt unserer Überlegungen und Vorbereitungen stehen:

Wie helfe ich den Tänzern am besten, eine neue Figur erfolgreich zu lernen?

 

 

Vorbereitung...

 

... als Caller

Die Vorbereitung spielt auch hier eine große Rolle. Bevor Du eine Figur anfängst zu teachen, solltest Du Dich zu Hause damit ausführlich auseinandersetzen. Ein genaues Studium der Callerlab-Definition und deren Präambel ist unerläßlich. Die detaillierte Kenntnis über einen Call ermöglicht es Dir eventuelle Schwierigkeiten, die in der Figur liegen, im Vorfeld zu erkennen.

Ein Hilfsmittel zu dieser Vorbereitung ist das Call-Analyse-Blatt (siehe Anlage). Unerläßlich ist sicher auch die Erfahrung, die Du aus Deiner eigenen Class hast. Auch solltest Du andere Callerkollegen beim Teachen aufmerksam beobachten [langfristige Vorbereitung] . Eine kritische Beobachtung ist hier der richtige Weg, denn Du solltest Dir die guten Ideen zu Eigen machen und aus den "Fehlern" lernen.

 

... der Tänzer

Für den Caller findet die Vorbereitung auf den Classabend zu Hause statt und gedanklich stellt man sich meistens schon auf der Fahrt zum Tanzort auf den kommenden Abend ein. Ganz anders ist es aber mit den Tänzern, die oftmals ganz andere Dinge im Kopf haben als Square-Dance (Denn die Tänzer denken meistens nicht 24 Stunden im Quadrat und haben nicht das gleiche Wissen und Vorstellungsvermögen wie Du als Caller.). Als Caller mußt Du diesen geistigen Vorsprung, den Du gegenüber den meisten Tänzern hast, berücksichtigen.

Bevor Du also eine neue Figur teachen möchtest, sollten die Tänzer 1-2 Tips Zeit gehabt haben, sich umzustellen und einzustimmen. Schaffe eine angenehme und lockere Atmosphäre. Bereite die Tänzer darauf vor, daß sie gleich eine neue Figur lernen. Stelle den neuen Call positiv vor, so daß sich die Tänzer darauf freuen können.

Wichtig ist eine entspannte Atmosphäre, damit der Lernprozeß nicht zum Streß wird, denn Square Dance ist und soll eine Freizeitbeschäftigung bleiben, in der man Spaß hat und sich vom Alltag erholen/ ablenken kann.

 

 

Unterrichtsmethoden

Es gibt verschiedene Arten, wie ein Mensch lernt. Dieses Wissen sollten wir für die Arbeit als Caller/Teacher nutzen.

Der Mensch lernt durch ...

  • ...Beobachtung
  • ...Zuhören
  • ...Lesen
  • ...Ausprobieren
  • ...Wiederholungen

 

Lernen durch Beobachtung

Eine gute Demonstration eines neuen Calls kann sehr hilfreich sein und ist manchmal mehr Wert als 1000 Worte. Die Tänzer sehen wie das Endprodukt aussehen soll und man spart sich die ein oder andere umständliche und verwirrende Erklärung. Die Präsentation sollte sehr exakt ausgeführt werden und 100%ig mit den Callerlab-Definitionen übereinstimmen.

 

Lernen durch Zuhören

Diese Methode ist wohl eine der Schwierigsten - für die Tänzern, sowohl als auch für den Caller. Der Caller muß die Kunst beherrschen, die Aktion des Calls in möglichst einfachen Worten zu beschreiben. Der Tänzer soll konzentriert den Ausführungen des Callers folgen, obwohl er einen anstrengenden Arbeitstag hinter sich hat und viel lieber dem Corner den neuesten Witz erzählen möchte. ... also ....

  • schaffe eine positive Stimmung (bei Dir und bei den Tänzern)
  • dafür sorgen, daß alle entspannt und relaxed sind.
  • gebe den Tänzern bildhafte Beschreibungen, wie z.B. Vergleiche (cloverleaf = Kleeblatt)
  • sei selber von dem überzeugt, was Du erklären willst, also nicht einen neuen Call folgendermaßen ankündigen : " So, jetzt lernen wir eine Figur, die läßt sich zwar ganz schlecht tanzen, aber..."
  • nicht zu schnell reden

 

Lernen durch Lesen

Zur Nachbereitung des Classabends gebe den Tänzern gedruckte Definitionen, wie z.B. "Square Dancing Deutsch" .

 

Lernen durch Anwenden (learning by doing)

Square Dance ist eine körperliche Aktion. Somit ist es logisch, daß es auch nur durch`s tanzen selbst erlernt werden kann. Dem Tänzer genügt es nicht, die Figur einmal gesehen oder die Erklärung vernommen zu haben, sondern er muß sie einmal selbst getanzt / erlebt haben.

 

Lernen durch Wiederholung

Nachdem der Tänzer durch die o.g. Techniken verstanden hat, wie die Figur ausgeführt werden soll, beginnt nun der eigentliche Lernprozeß.

Man sagt, daß eine Figur mind. 80 mal getanzt werden muß, bis das Ziel, den Call reflexartig, fließend und ohne Unsicherheiten auszuführen, erreicht ist.

Darum laß Dir Zeit beim Teachen, insbesondere bei einer Class. Einen Tänzer in der Class kann man ganz gut mit einem Baby vergleichen, daß laufen lernt. Konntest Du gleich am ersten Tag laufen ? Nein ! Wenn die ersten Schritte geschafft sind, so braucht es noch lange, bis das Kind ohne Hilfe und mit der nötigen Sicherheit alleine läuft. Die stolzen Eltern möchten zwar den Lernprozeß beschleunigen, aber die rettende Hand wird noch lange von Nöten sein und so mancher Sturz des Kindes muß in Kauf genommen werden.

Genauso wie ein Baby das Laufen lernt , muß ein neuer Square Dancer immer wieder üben, üben und üben, bis das Ziel erreicht ist. Es werden auch immer wieder Fehler unterlaufen, bei denen der hilflose Tänzer dann unsere Hilfe benötigt.

Für den Caller bedeutet dies :

  • Geduld, Geduld, Geduld, .....
  • die Erwartungen nicht zu hoch stecken
  • wiederholen, wiederholen, ....

 

 

Was sonst noch wichtig ist

 

Plane Dein Teachen - "going from the simple to the complex"

Aufgrund des Wissens über die Figur und die Unterrichtsmethoden kannst Du jetzt konkret die "Teachingprozedur" planen. Fange mit dem Einfachen an und werde dann, je nach Aufnahmefähigkeit der Class, schwerer.

Folgende Fragen helfen vielleicht bei der Vorbereitung:

  • Welche Unterrichtsmethoden (s.o.) will ich anwenden ?
  • Aus welcher formation, aus welchem arrangement ist es am Anfang für die Tänzer am einfachsten?
  • Gibt es Möglichkeiten, bestimmte Bewegungen/Abläufe vorbereitend zu teachen, [z.B. ein ½ of a HALF SASHAY als Vorbereitung für put the BELLE into the LEAD, wie in DIXIE STYLE TO AN OCEAN WAVE benötigt, wenn es aus facing couples getanzt wird.]
  • Welche Schwierigkeiten / Verständnisprobleme könnten auftreten ?

Schon in der Anfangsphase einer neuen Figur solltest Du die Tänzer auf eventuelle Fehler hinweisen. Wie bekannt ist, ist es nicht so einfach einen eingeschlichenen und angewöhnten Fehler später zu "reparieren". Zu diesen Fehlern zähle ich auch, wenn die Tänzer nach bestimmten Calls bereits selbstständig einen anderen Call erwarten und den dann auch tanzen. Es liegt in der Verantwortung des Callers den Tänzern diese "dumme" Angewohnheit durch variantenreiche Choreographie (siehe auch Call Analyse) gar nicht erst anzugewöhnen.

 

Frustrationslimit

Es gibt Abende, an denen läuft überhaupt nichts zusammen. Du callst die "einfachsten" Kombinationen, aber trotzdem will nichts klappen und die Squares brechen wie am Fließband zusammen. Das schlimme ist, daß sich soetwas ganz leicht auf die ganze Gruppe überträgt (Gruppendynamik). Was tun ? Wenn Du an einem solchen Abend eine neue Figur teachen willst, ist der Erfolg meistens nicht sehr ergiebig.

Stelle die Figur am besten einmal kurz vor. Den größten Fehler, den Du machen kannst, ist der, daß Du versuchst Dein Ziel auf jeden Fall zu erreichen. Du solltest Deine Anforderungen herunterschrauben, die Tips kurz halten, die Tänzer tanzen lassen. Ansonsten überforderst Du sie und das Frustrationslimit ist schnell erreicht. Verschiebe die neue Figur auf den nächsten Abend, die Tänzer werden Dir dankbar sein.

TIP ! Wenn Du eine neue Figur erklärst, halte die Choreographie einfach, benutze einfache und bekannte Get outs. z.B. ein CENTERS SQUARE THRU 3 HANDS - die Tänzer sehen den Erfolg kommen und können sich freuen.

Grundsätzlich gilt - laßt Euch Zeit beim Lehren eines neuen Calls und gebt den Tänzern auch genug Zeit zum Erlernen - natürlich auch für die Ausführung des Calls (TIMING - eine Voraussetzung für korrektes Tanzen !)

Let the dancers win !

 

Verständnis

Hier soll es darum gehen, wie der Tänzer einen Call nicht nur lernt zu tanzen, sondern wie er lernt, einen Call zu verstehen.

Für das Verständnis reicht es nicht aus, dem Tänzer nur die Definition zu erzählen. Eine gute Möglichkeit ist es, indem man z.B. sagt, "die Definition ist so und so..., das bedeutet....."

In der Definition heißt es z.B. TURN ¼ TO THE RIGHT.

...., das bedeutet wir drehen uns 90° nach rechts..
oder
...., ...... wir drehen uns soweit, daß wir die nächste Wand angucken.... (selbstverständlich nur in einem rechtwinkligen Raum möglich, in dem die Squares entsprechend angeordnet sind)

Versuche also die Definition in anderen Worten wiederzugeben. Möglichst in einer bildhaften Sprache und immer mehrere Möglichkeiten von Erklärungen geben, denn jeder Mensch versteht die Erklärungen anders.

Weiterhin ist es wichtig, daß Du den Tänzern sagst, wann ein Call startet und aus welcher Formation. Erkläre evtl. auch die Zusammensetzung der Formation. z.B. in der OCEAN WAVE - es gibt Leader / Trailer ..... Sie müssen sich diese Details nicht sofort merken, aber bringe solche theoretischen Aspekte immer mal wieder ins Bewußtsein - um so leichter findet sich der Tänzer im Square zurecht.

Jetzt wo man weiß, aus welcher Formation der Call startet und wie er ausgeführt wird, vergesse nicht zu sagen, in welcher Formation und wann der Call endet !

Beispiele :

  • aus parallel OCEAN WAVES ein TURN THRU gecallt ist nicht ein Vorläufer für ein ALLEMANDE LEFT sondern die Endformation ist eine TRADE BY Formation.
  • ein weiteres klassisches Beispiel ist SPIN CHAIN THRU. Lasse die Endtänzer in der Ocean Wave während des teachens stehen und calle kein CIRCULATE für diese Tänzer. Die Tänzer müssen genau wissen, daß das CIRCULATE nicht zum SPIN CHAIN THRU dazugehört.

Wenn Du die eben aufgeführten Punkte beachtest, hilfst Du dem Tänzer einen Call zu verstehen und damit auch zu lernen.

 

Musik

Auch zur Verwendung von Musik möchte ich kurz was sagen. Versuche folgendes zu beachten, damit die Musik Dich beim Teachen nicht stört.

  • wähle "ruhige" Musiken, die einen deutlichen Takt haben
  • die Lautstärke niedrig halten - es reicht, wenn die Tänzer den Takt raushören
  • beim Teachen empfiehlt es sich die Geschwindigkeit ggü. der "normalen" etwas zu reduzieren, um den Tänzern die nötige Zeit zu geben, die neue Figur zu durchlaufen.

 

Transfer von bereits erlerntem Material

Insbesondere in der Class lohnt es sich die Reihenfolge, in der die Figuren geteacht werden sollen, im Vorfeld gut zu überlegen. Dadurch kann man sich und den Tänzern einiges erleichtern.

Ein gutes und einfaches Beispiel für diese Methode ist WEAVE THE RING . Das Wissen über den Bewegungsablauf von RIGHT AND LEFT GRAND kann problemlos übertragen werden. Durch solche Transfers erkennen die Tänzer bekannte Bewegungsabläufe wieder und der Lernvorgang kann damit beschleunigt werden.

Beispiel:
Positiver Transfer : Die Figur FAN THE TOP läßt sich einfach teachen, wenn SPIN THE TOP bekannt ist. Aber Achtung ! Die beiden Figuren nicht an einem Abend teachen, denn die Ähnlichkeit der Namen erzeugt einen negativen Transfer.

 

Fazit

Durch gute Vorbereitung und Planung, durch bewußtes Anwenden der Unterrichtsmethoden, durch Einfühlungsvermögen und einer positiven Einstellung kannst Du dem Tänzer beim Erlernen einer neuen Figur am besten   H E L F E N.

 

 

Teaching

  1. Einleitung
  2. Die Class
  3. Die Class: Was sonst noch wichtig ist
  4. Die Präsentation eines neuen Calls
  5. Die 10 Gebote für eine erfolgreiche Class
  6. Analysing a Call

 

 

last Update: 10.12.1999

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